Neue EU-Kreislaufwirtschafts-Regeln: Was sie für den Motorradsektor bedeuten

Veröffentlicht am 17.07.2025

Stephan Krückel Stephan Krückel

Die Europäische Kommission und das Europäische Parlament richten den Fokus auf nachhaltigere Mobilität: Mit dem aktuellen Beschluss zu neuen Kreislaufwirtschaftsregeln für Fahrzeuge steht auch die Motorradbranche vor tiefgreifenden Veränderungen. Welche Auswirkungen das hat und wie der europäische Zweiradhersteller-Verband ACEM auf die neuen Vorgaben reagiert.


Nach Angaben der EU-Kommission und des Europäischen Parlaments wurden am 11. Juli 2024 neue Vorgaben für die Kreislaufwirtschaft im Fahrzeugsektor beschlossen. Erstmalig sind auch Motorräder, Mopeds, Quads und Minicars von den neuen Regeln betroffen. Wie die Kommission mitteilt, gilt für diese Fahrzeugklassen ein späterer Start: Die Vorgaben greifen für sie frühestens fünf Jahre nach Inkrafttreten, während Pkw und Transporter bereits nach einem Jahr betroffen sind.

Ziel der Regulierung ist laut Kommission, dass „so viele Teile und Komponenten wie möglich von autorisierten Fachbetrieben einfach entfernt, wiederverwendet oder recycelt werden können“. Softwareupdates oder technische Maßnahmen dürfen die fachgerechte Demontage nicht erschweren. Besonders relevant für Motorradhersteller: Für alle neuen Modelle wird nach sechs Jahren eine Mindestquote von 20 Prozent recyceltem Kunststoff vorgeschrieben, nach zehn Jahren – bei entsprechender Materialverfügbarkeit – sogar 25 Prozent. Auch verbindliche Recyclingziele für Stahl und Aluminium sind seitens der EU geplant. Hersteller stehen zudem künftig stärker in der Pflicht, die Kosten für Sammlung und Behandlung von Motorrädern am Lebensende zu tragen. Die Entfernung von Bauteilen, Flüssigkeiten und gefährlichen Stoffen wird verpflichtend, ebenso wie strengere Inspektionen und Maßnahmen gegen illegale Verwertung.

Die Verschärfung der Exportregeln betrifft insbesondere Gebrauchtfahrzeuge: Nach Vorgaben der Kommission dürfen gebrauchte Motorräder künftig nur noch dann exportiert werden, wenn sie nicht als „Altfahrzeuge“ eingestuft werden. Dafür gibt es künftig klare Kriterien und Nachweispflichten für den Zoll.

Nach Angaben der Kommission werteten die federführenden Berichterstatter Jens Gieseke (EVP, Deutschland) und Paulius Saudargas (EVP, Litauen) die Einigung als Schritt zu mehr Ressourcensicherheit, Umweltschutz und nachhaltigem Wettbewerb. Die neuen Zielvorgaben seien realistisch, praktikabel und entlasteten die Industrie bei der Umsetzung.

Kritische Begleitung und Forderungen aus der Industrie

Der europäische Verband der Motorradhersteller ACEM begrüßt die Aufnahme von Motorrädern und anderen L-Kategorie-Fahrzeugen in das neue Regelwerk grundsätzlich und sieht darin einen wichtigen Schritt zur Kreislaufwirtschaft und nachhaltigen Produktion der Branche. In seiner offiziellen Stellungnahme hebt ACEM positiv hervor, dass die Regelungen mit einem fünfjährigen Vorlauf ab Inkrafttreten nur für Neufahrzeuge gelten sollen. Nach Ansicht von ACEM ermöglicht diese Übergangsfrist den Herstellern, Prozesse und Strukturen für Recycling und Rücknahme ohne unnötige Belastungen umzubauen und gibt „dem Industriezweig ausreichend Zeit für eine reibungslose und nachhaltige Transformation“.

Der Herstellerverband fordert in seiner Stellungnahme jedoch ausdrücklich, dass die gesetzliche Regelung möglichst klar ausgestaltet wird. Insbesondere warnt der Verband vor juristischen Unklarheiten: Die Anforderungen an Hersteller müssten nach Ansicht von ACEM eindeutig ausschließlich für Fahrzeuge gelten, die nach Ablauf dieser fünfjährigen Frist zugelassen werden, um Planungssicherheit zu gewährleisten. Zudem betont der Verband, man müsse die „regelmäßigen Ausnahmen für Kleinserienfahrzeuge“ beibehalten, um die Wettbewerbsfähigkeit mittelständischer Spezialisten zu sichern.

ACEM verdeutlicht, dass die Unternehmen vor der Herausforderung stehen, „komplett neue Strukturen und Organisationsformen für die Rücknahme, Recycling und Dokumentation zu schaffen“. Ohne den vorgesehenen zeitlichen Spielraum seien massive Störungen im Markt und der Lieferkette nicht auszuschließen. Der Verband drängt außerdem auf einen rechtssicheren Ausschluss, dass bestimmte Regelungsbestandteile – etwa betreffend die vollständige Rückführungspflicht – nicht schon vor Ablauf der Übergangsfrist auf den Motorradsektor angewendet werden. Nur so könne die Branche erfolgreich und planbar an den ehrgeizigen Umweltzielen mitwirken.

Fazit:

  • Die neuen Regeln zur Kreislaufwirtschaft im Verkehr wurden laut EU-Kommission am 11. Juli 2024 vom Europäischen Parlament beschlossen.
  • Vorgaben gelten erstmals auch für Motorräder und verwandte Fahrzeugklassen, greifen dort aber erst nach fünf Jahren.
  • ACEM begrüßt die Aufnahme des Sektors in das Regelwerk und hält den fünfjährigen Übergangszeitraum für essenziell, um die Umsetzung praktikabel zu gestalten.
  • Der Verband fordert Rechtsklarheit, Ausnahmen für Kleinserien und einen Fokus auf Neufahrzeuge nach Ablauf der Frist.
  • Hersteller müssen umfassende organisatorische Veränderungen und höhere Dokumentationsanforderungen bewältigen, wofür der Zeitrahmen als „unverzichtbar“ gilt.
  • Ziel bleiben mehr Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft, ohne einen Wettbewerbsnachteil für die Motorradindustrie zu erzeugen.